Gegründet 1947 Sa. / So., 27. / 28. April 2024, Nr. 99
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 20.03.2024, Seite 4 / Inland
TAURUS-Debatte

Absage ans »Einfrieren«

Verteidigungsminister und CDU wollen vom Ende des Tötens in der Ukraine nichts wissen. Kanzler Scholz beklagt Niveau der TAURUS-Debatte
Von Marc Bebenroth
4.jpg
Boris Pistorius (SPD) und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) im Verteidigungsausschuss (Berlin, 11.3.2024)

Am Bundeskanzler scheinen sich vor allem Union und FDP weiter die Zähne auszubeißen: Die insbesondere von beiden Parteien und ihnen nahestehenden Medien befeuerte Debatte um die Position von Olaf Scholz (SPD) zur Lieferung von TAURUS-Marschflugkörpern an das ukrainische Militär sei »an Lächerlichkeit nicht zu überbieten«, klagte der Bundeskanzler am Dienstag bei einer Veranstaltung der Zeitungen Zeit, Handelsblatt, Tagesspiegel und Wirtschaftswoche in Berlin. Er wünsche sich eine Debatte, die – seine – Besonnenheit nicht als Zögerlichkeit diskreditiere. Wie um Anerkennung werbend betonte Scholz, dass die BRD einer der größten Geber von Militärhilfen für die Ukraine im Krieg gegen Russland sei.

Scholz verteidigte bei der Konferenz »Europe 2024« den Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokraten im Bundestag, Rolf Mützenich, gegen Angriffe wegen dessen Verwendung des Wortes »Einfrieren« mit Blick auf mögliche Wege zur Beendigung des Ukraine-Krieges. Mützenich sei »einer der hervorragenden Unterstützer« der Ukraine-Politik des Kanzlers. Auf Rückendeckung seines Parteikollegen Boris Pistorius braucht Mützenich dagegen eher nicht zu hoffen. »Einfrieren« sei nicht dessen Wortwahl, erklärte der aus Warschau zugeschaltete Bundesverteidigungsminister am Dienstag im Deutschlandfunk.

Man könne einen solchen Krieg nicht einfach so einfrieren und dann hoffen, dass es besser wird, behauptete der Minister. »Wir wissen aus der Geschichte und der Erfahrung mit Putin, dass das niemals so sein wird.« Zuvor hatte sich CDU-Verteidigungspolitiker Johann Wadephul im ZDF-»Morgenmagazin« gleichlautend gegen ein selbst vorübergehendes Ende des Tötens im Ukraine-Krieg ausgesprochen. Für ihn gibt es lediglich ein zulässiges Szenario: »Der Krieg kann nur dadurch zu Ende gehen, dass Russland aufhört, den Krieg zu führen.«

Zu der von Union und FDP angeheizten Empörung über seine Wortwahl im Parlament erklärte sich schließlich Mützenich gegenüber der Neuen Westfälischen (Dienstagausgabe). Er sei »in den Sozial- und Friedenswissenschaften ausgebildet«, und dort werde »das Einfrieren« als Begriff genutzt, um »in einer besonderen Situation zeitlich befristete lokale Waffenruhen und humanitäre Feuerpausen zu ermöglichen, die überführt werden können in eine beständige Abwesenheit militärischer Gewalt«.

Für eine der prominenteren Fürsprecherinnen und Fürsprecher von ­TAURUS-Lieferungen an die Ukraine gibt es derweil eine weitere Baustelle. Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) hat in ihrer Rolle als Vorsitzende des Verteidigungsausschusses den Vorwurf eines zu sorglosen Umgangs mit der Geheimhaltung in dem Gremium zurückgewiesen. Sie habe entsprechende Angaben von Parlamentspräsidentin Bärbel Bas (SPD) »mit Irritation zur Kenntnis genommen«, schrieb Strack-Zimmermann laut Nachrichtenagentur AFP an Bas. Die Bundestagspräsidentin hatte sich zuvor verwundert darüber gezeigt, dass bei der Sondersitzung vom 11. März 105 Teilnehmer zugegen waren. »Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, dass der an den Ausschussitzungen teilnehmende Personenkreis nicht in meinem Belieben steht«, heißt es in einem Brief Strack-Zimmermanns an Bas, der AFP vorliegt.

Am Freitag hatte T-online.de aus dem nicht öffentlichen Teil der Sitzung über ein Referat zu TAURUS berichtet. Daraufhin hatte Strack-Zimmermann Bas förmlich um Aufnahme eines Strafverfahrens wegen Geheimnisverrats gebeten. Die FDP-Politikerin betonte in dem am Montag verfassten Schreiben, sie habe »ein außerordentliches Interesse am Schutz der Sitzungsinhalte« und schon zahlreiche Anzeigen wegen mutmaßlichen Geheimnisverrats erstattet.

2 Wochen kostenlos testen

Die Grenzen in Europa wurden bereits 1999 durch militärische Gewalt verschoben. Heute wie damals berichtet die Tageszeitung junge Welt über Aufrüstung und mediales Kriegsgetrommel. Kriegstüchtigkeit wird zur neuen Normalität erklärt. Nicht mit uns!

Informieren Sie sich durch die junge Welt: Testen Sie für zwei Wochen die gedruckte Zeitung. Sie bekommen sie kostenlos in Ihren Briefkasten. Das Angebot endet automatisch und muss nicht abbestellt werden.

Ähnliche:

  • Olaf Scholz am Donnerstag im Bundestag bei der Stimmabgabe. An d...
    23.02.2024

    Superwaffen für Kiew

    Bundestag verlangt Sieg über Russland durch Lieferung »weitreichender« Waffensysteme. Linke und BSW warnen vor Eskalation
  • Männer bauen Panzer: Fabrikarbeiter auf einem »Lynx«-Schützenpan...
    12.02.2024

    Rufe nach mehr Rüstungsproduktion

    Grüne, FDP und CDU fordern neues Geld für europäische Kriegsprofiteure und Ukraine. Generalinspekteur schürt Kriegsangst
  • Will Panzer für Kiew. Strack-Zimmermann bei Abstimmung auf FDP-P...
    25.04.2022

    Tauziehen um Panzerlieferungen

    FDP fordert auf Parteitag schwere Waffen für Ukraine. CDU-Chef Merz droht mit Antrag im Parlament